Die Rennmöhre
Einstieg in den Amateur-Motorsport mit einem Fiat X1/9
Teil 4 – Das Mufflon, weitere Umbauten und eine verkorkste Saison 2012
Was bisher geschah: Wir, drei Mitglieder des Hamburger Stammtisches Scuderia X1/9 hatten beim Bier beschlossen, einen Wagen für gelegentliche Rennstreckeneinsätze aufzubauen. Nachdem wir uns nach reiflicher Überlegung und entgegen der damit verbundenen Nachteile für den X1/9 entschieden hatten, war uns über einen alten Bekannten ein halb restaurierter 1300er angeboten worden. Über den Winter 2010/2011 wurden diverse Schweißarbeiten durchgeführt, der Unterboden wurde lackiert und jede Menge technische Verbesserungen wurden durchgeführt. Abschließend wurde unsere Rennmöhre inklusive H-Kennzeichen „über den TÜV“ gebracht. Es folgten diverse Einsätze bei Track-Days und anderen sportlichen Veranstaltungen im Jahr 2011, bei denen wir schon mal ziemlich viel Spaß hatten. Aber da geht sicher noch viel mehr…
„Mich hat ein Kunde angesprochen der einen X1/9 wegwerfen will und wusste dass ich Dich kenne, den willst Du doch nicht haben, oder?“ Wahrscheinlich kennt jeder von uns diesen speziellen, mitleiderfüllten Blick unserer Mitmenschen, wenn sie uns auf unser schwer nachvollziehbares Hobby ansprechen. Diesen Blick im Gesicht, stand ein Nachbar eines Samstags vor Joachims Tür und wusste von einem X1/9 im selben Ort zu berichten, mit dem er aber bitte nichts zu tun haben will...
Es war Herbst 2011, die Saison war noch gar nicht wirklich zu Ende, aber es war klar, dass wir einige Teile wie z.B. ein Getriebe brauchten, um das derzeit in Einsatz befindliche Neugetriebe wieder in Michaels Ersatzteilfundus zurück stellen zu können, bevor es nicht mehr zu dieser Beschreibung taugt. Also auf zur Besichtigung.
Der Besitzer stellte sich - wie so oft - als Seelenverwandter heraus und hat laut eigener Aussage noch andere Xies geschlachtet. Diesen Wagen hatte er Ende der 80ern als Ersatzteilträger gekauft, was die TÜV-Plakette nachdrücklich belegte. Die Geschichte, dass der Wagen die letzten 20 Jahre weitestgehend trocken gelagert wurde, war jedoch ins Reich der Fabeln zu verbannen. Der Wagen muss im Gegenteil zumeist auf einer Wiese gestanden haben, der perlmuttfarbene Lack (oder was davon übrig war) war unter einer grünen Moosschicht kaum erkennbar, Türen und Hauben waren nahezu abgerostet, der gesamte Innenraum komplett verschimmelt. Es handelte sich um einen 1500er aus dem Jahr 1980 oder 1981. Genau konnte man das nicht bestimmen, denn Papiere waren selbstverständlich keine vorhanden. Da es aber immer Teile gibt, die nicht rosten oder schimmeln und die für unsere Rennmöhre von Verwendung sein können, wechselte der Wagen für einen symbolischen Preis den Besitzer.
Stolz in Michaels heiligen Hallen angekommen, zerplatze die Vorstellung einer entspannten Schlachtaktion jäh an der ansonsten außerordentlich verständnisvollen Ehefrau. Leider stank nämlich die Neuerwerbung so dermaßen erbärmlich nach Schimmel, dass selbst eine Verbannung unter das weit entfernte Carport keine entspannte Grillatmosphäre aufkommen ließ. Es gab kein Pardon - am nächsten Wochenende musste das fortan „Mufflon“ getaufte Stück wieder vom Hof sein...
Wie zahlt es sich doch aus, wenn man jede Schraube bereits kennt! Das Schlachten buchstäblich bis auf die letzte Schraube war zu Dritt tatsächlich in rekordverdächtigen zwei Abenden (!) erledigt, alle Teile wurden in Kartons verpackt und archiviert. Zum Ablauf des Ultimatums am darauf folgenden Samstag wurde die Karosse zum örtlichen Schrotthändler gebracht, und die Umwelthauptstadt 2011 (ohne Umweltzone!) konnte sich nun auch an diesem Ort wieder einer hervorragenden Luftqualität rühmen.
Nach der durchaus zufriedenstellenden Saison 2011 sollten über den Winter 2011/2012 natürlich die nächsten Veränderungen an der Rennmöhre folgen. Also machten wir uns ein Bier auf und notierten die Dinge, bei denen Verbesserungspotenzial bestand. Eines war uns aber zu dem Zeitpunkt schon klar: Der wirklich große Umbau auf „richtiges, ernst zu nehmendes Rennfahrzeug“ mit Käfig und Feuerlöschanlage würde wohl noch ein wenig warten müssen. Neben diesem schönen Hobby sind wir ja alle berufstätig und so ist die Zeit leider häufig auch sehr knapp. Und nicht zuletzt: Das Fahren hatte so viel Spaß gemacht, dass wir den Saisonauftakt 2012 auf keinen Fall verpassen wollten.
Also ging es an die kleineren Verbesserungen: Das Mufflon-Getriebe war überraschend gut beisammen und schnell in die Rennmöhre gehängt. Das allein hatte den Kauf des Mufflons bereits gerechtfertigt. Bei der Gelegenheit wurde gleich eine um zwei Kilo erleichterte Schwungscheibe eingesetzt. Die Lenkung wurde durch eine direktere Lenkung mit nur 2,4 Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag getauscht. Weitere Verbesserungen betreffen das Gewicht: Leichtere Felgen und kleinere Reifen sollten in der Saison 2012 getestet werden. Die hintere Heckscheibe wurde gegen eine Makrolon-Scheibe getauscht. Auch die vordere Haube musste weichen und wurde durch ein extrem leichtes Formteil aus GfK mit Schnellverschlüssen ersetzt. Um die Sicherheit des jeweiligen Piloten zu verbessern, wurde endlich ein ECE zugelassener 3-Punkt-Gurt der Firma Sabelt installiert. Besondere Aufmerksamkeit kam dabei der Umlenkung für die hintere Befestigung zu.
Geplant waren darüber hinaus Maßnahmen zur besseren Gewichtsverteilung, z.B. der Umbau des Benzintanks nach vorne sowie auch ein Kühlerauslass durch die vordere Haube für bessere Kühlleistung. Leider mussten wir aber auch diese Dinge aus Zeitgründen erst einmal zurückstellen.
Am 31.03.2012 stand dann der erste Event des neuen Jahres ins Haus. Wir waren bereit! Wieder einmal sollte es nach Dänemark auf den Rennkurs Padborg Park gehen. Dort wurde ein "freies Fahren" durchgeführt, diese Veranstaltung hatten wir bereits aus dem Vorjahr als Saisonauftakt in guter Erinnerung.
Leider hatten wir dieses Mal nicht so viel Glück, wie in 2011. Zunächst einmal fiel nach den ersten Runden schon auf, dass die neue Fronthaube aus GfK sehr stark flatterte und sich durch den Fahrtwind förmlich aufblähte. Dieses Problem konnten wir durch großzügige Verklebung mit Panzertape noch aus der Welt schaffen. Die Lage wurde langsam ernster, als Michael nach dem zweiten Durchgang meinte, dass die Möhre rein subjektiv nicht mehr mit voller Leistung unterwegs war. Wirklich ernst wurde es, als Høller im dritten Lauf nach nur drei Runden mit der Rennmöhre wieder in der Boxengasse auftauchte und "schlagende, metallische Geräusche" aus dem Motorraum vermeldete… Ein kurzer Probelauf im Stand bestätigte die Geräusche, „irgendwo“ in den Tiefen des Motorblockes hörte sich "irgendwas" gar nicht gut an. Was tun? Viele Möglichkeiten gab es nicht: Nach einer einstündigen Ruhepause und lauter ratlosen Gesichtern ließen wir den Motor noch einmal starten. Die Geräusche waren weg! Also nochmal rauf auf den Kurs, aber schon nach einer Runde war das Klappern wieder da und wir konnten den X nur noch auf den Trailer fahren. Damit mussten wir nun erstmalig eine Veranstaltung vorzeitig durch technischen Defekt beenden.
Bereits am nächsten Tag wurde der Motor ausgebaut und zerlegt. Die niederschmetternde Diagnose lautete: Riss in einem Kolben sowie zerstörte Lagerschaden mit eingelaufener Kurbelwelle. Bei anschließendem Bier beschlossen wir schnell zu handeln und den Motorblock zu unserer Motoren-Fachwerkstatt zu bringen. Ziel war, den Motor bis zur nächsten Veranstaltung im Mai in Papenburg wieder rennfähig zu haben. Gleichzeitig wurde jedoch die Parole ausgegeben, dass wir den Motor mit richtig guten Motorsportteilen neu aufbauen wollten. Dazu gehörte dann neben H-Schaft Pleueln und Schmiedekolben auch eine neue Kurbelwelle. Die alte PBS-Welle war ja leider eingelaufen.
Unglücklicherweise zog sich die Lieferung des komplett neu aufgebauten Motors aufgrund von Unwägbarkeiten in der Beschaffung der gewünschten Teile sehr in die Länge, so dass wir bei unserem Lieblingsevent in Papenburg nicht mit der Rennmöhre an den Start gehen konnten. Auch alle weiteren Events im Jahr 2012 mussten gecancelt werden bzw. wurden von Michael ersatzweise mit dem blauen Playmobil wahrgenommen. Auch das mussten wir lernen: Wenn man bei diesen speziellen Anforderungen die Teile nicht doppelt am Lager hat, gehen leicht mehrere Monate ins Land.
Auf der anderen Seite steht uns nun erstmalig ein renntauglicher Motor mit 1300 ccm zur Verfügung, der nach modernsten Erkenntnissen in Verbindung mit unseren Wünschen aufgebaut wurde. Für den neuen Motor wird auch ein Ölkühler und anderes Zubehör zum Einsatz kommen.
Und natürlich waren wir in der Zwischenzeit nicht untätig. So konnten wir während unserer Abstinenz von den Rennstrecken dieser Welt einen gebrauchten, fast neuwertigen Überrollkäfig von OMP erwerben und uns mit der Passform dieses Käfigs beschäftigen. Derzeit finden Umbauarbeiten daran statt, da er in der Standardversion leider so überhaupt nicht unseren Bedürfnissen entspricht. Insbesondere der hintere Hauptbügel ist ein Problem, weil hier selbst klein gewachsene Piloten mit dem Helm anstoßen. Ein neuer, schmaler Rennsitz musste beschafft werden, weil der vorhandene BF-Sitz im Schulterbereich nicht an der Hauptstrebe des Käfigs vorbei passte. Unsere Entscheidung fiel dabei auf den bezahlbaren Sparco Sprint.
Inzwischen haben wir uns auch für ein offizielles Reglement entschieden. Alle Umbauarbeiten orientieren sich nun grob am Reglement des "Fiat Simca 1300 Histo Cup", der im Rahmen der Rennserie "Kampf der Zwerge" unterwegs ist und dessen Veranstaltungen wir im vergangenen Jahr zweimal als begeisterte Zuschauer besucht haben. Ein Einsatz in dieser Serie ist jedoch für die Saison 2013 noch nicht geplant, vielmehr lautet das vorrangige Ziel, im nächsten Jahr erst einmal die verkorkste Saison 2012 wieder gut zu machen und das eine oder andere Event zum freien Fahren unter die Räder zu nehmen.
So, nun seid ihr auf dem neuesten Stand und unsere Serie hat vorerst ein Ende. Bei Interesse könnt Ihr auf den (nach Möglichkeit) immer aktuellen Modifikationsbericht klicken. Es würde uns freuen, wenn Ihr öfter mal reinschaut. Auch über die Einsätze der Rennmöhre werden wir online natürlich weiter berichten. Bis dahin verabschieden wir uns, wie immer, mit den Worten: „Keep On Racing!“
Modifikationsbericht 2012 / 2013
© by Michael Vaillant, Joachim Clausen, Höller Martens