Die Rennmöhre
Einstieg in den Amateur-Motorsport mit einem Fiat X1/9
Teil 3 – Rennmodifikationen und die erste Saison
Was bisher geschah: Wir, drei Mitglieder des Hamburger Stammtisches Scuderia X1/9 hatten beim Bier beschlossen, einen Wagen für gelegentliche Rennstreckeneinsätze aufzubauen. Nachdem wir uns nach reiflicher Überlegung und entgegen der damit verbundenen Nachteile für den X1/9 entschieden hatten, war uns über einen alten Bekannten ein vor 20 Jahren stillgelegter, aber bereits halb restaurierter 1300er angeboten worden. Über den Winter 2010/2011 wurden zahlreiche Schweißarbeiten durchgeführt und der Wagen technisch instandgesetzt. Schließlich konnten wir unsere Rennmöhre mit Hilfe eines freundlichen TÜV-Prüfers erfolgreich und inklusive H-Kennzeichen „über den TÜV“ bringen.
So standen wir also da: Es war Ende März, nur noch wenige Tage bis zum ersten Einsatz der Rennmöhre. Und abgesehen davon, dass wir nicht im Straßentrimm auf die Rennstrecke wollten, waren noch diverse Restarbeiten zu erledigen. Schließlich will man sich ja nicht der versammelten Konkurrenz mit Schneckentempo oder Totalausfall vorstellen, sondern vielmehr als Champion! Aber die Möhre lief erst wenige Tage, und wir hatten so gut wie keine Probefahrten durchführen können.
Das Innenleben unseres Motors war uns zu diesem Zeitpunkt unbekannt. Gemäß historischen Überlieferungen von vor über 20 Jahren sollte es sich dabei um einen „heissgemachten“ 1300er handeln – was immer das bedeuten sollte. So unrund, wie der Motor nach Einstellen der Doppelvergaser lief, konnte man dieser Version glauben schenken, oder einfach davon ausgehen, dass sich das Aggregat bald im X1/9-Himmel wiederfinden würde. Da er aber durchaus kraftvoll anzog, wollten wir ihn erst einmal eine Saison fahren. Eine Alternative hatten wir aufgrund des strammen Zeitplans sowieso nicht.
Viel wichtiger als der Motor waren uns immer schon das Fahrwerk und die Bremsen gewesen. Schließlich wollten wir nicht auf den Geraden schnell sein, sondern in der Kurve. Was das Fahrwerk und die Lenkung anging, so hatten wir im Rahmen der Restauration komplett auf PU-Buchsen umgerüstet, sämtliche Kugelköpfe waren ebenfalls neu. Eine vordere Domstrebe hilft, bis ein Käfig montiert ist, die restaurierte Karosse vor Verwindungen zu schützen.
Nach Rücksprache mit dem Konstrukteur fiel die Fahrwerkswahl anschließend auf das BeBe-Gewindefahrwerk, welches Joachim noch liegen hatte. Sowohl Umbaupläne hinsichtlich eines schwereren Motors als auch den Renneinsatz an sich sollte es problemlos abbilden können. Ein Satz CD66 in der Dimension 7x13 mit Yokohama A048 Semi-Slicks, und schon war der Wagen auch optisch schneller geworden.
Einstellungen wurden hinsichtlich des Fahrwerks vorerst äußerst begrenzt vorgenommen. Die Original-Domlager waren zwar neu, sollen aber in nicht allzu ferner Zukunft einstellbaren Uniball-Lagern weichen. Bis dahin musste eine ungefähre Höheneinstellung des Fahrwerks und eine erneute Spur- und Sturzeinstellung ausreichen. Fahrwerkseinstellung ist eine Wissenschaft, die uns immer wieder und noch eine ganze Weile verfolgen wird, bis das Optimum gefunden ist. Hier liegen auf der Rennstrecke die Sekunden begraben. Wir aber mussten für die ersten Einsätze auf einen Glückstreffer hoffen.
Die Bremskomponenten hatten wir bereits vor dem TÜV-Termin montiert. Hier hatten wir für die Vorderachse eine Bremsanlage des Uno Turbo aus dem Regal genommen, die wir komplett revidiert hatten. Für die Hinterachse sollte vorerst die ebenfalls neue Originalbremse bleiben, um eine überbremsende Hinterachse zu vermeiden. Stahlflex Bremsleitungen der Firma Dickhaut vorne und hinten waren obligatorisch für die Konkretisierung des Druckpunktes, an der Vorderachse kommen seither innenbelüftete Motorsport-Bremsscheiben (gelocht/geschlitzt) und Ferrodo Motorsport Bremsbeläge zum Einsatz.
Außer dem schnell montierten Schalensitz benötigt man für die von uns geplanten ersten Veranstaltungen außerdem noch Abschlepphaken. Als Joachim kurze Zeit vorher den Lancia Y seiner Nachbarin abschleppen musste, hatte er festgestellt, dass Fiat in den 90ern zwei Arten von schraubbaren Abschlepphaken nutzte, die man ineinander schrauben könnte. Die eine Variante an geeigneter Stelle massiv an der Karosserie befestigt, wurde dieses Problem elegant gelöst. Die Rennmöhre hatte nun auch optisch ansprechende, abnehmbare Abschlepphaken. Dass der Wagen bis Dato immer noch wie ein tiefergelegter Straßen-X aussah, nicht aber standesgemäß wie ein Rennwagen, konnte Michael mit einem karierten Dach etwas abmildern.
Tja, und damit konnte es dann losgehen. Am Freitag-Abend, den 01. April wurde die Möhre auf den Trailer gefahren und es hieß für Høller und Michael „Abfahrt“ in Richtung Dänemark. Nach einer äußerst unruhigen Nacht in einem Hotel bei Flensburg voller betrunkener Jugendlicher wurden am nächsten Morgen die wenigen, restlichen Kilometer mit dem Trailer bis zur Rennstrecke abgespult. Dort war dann abladen und anmelden angesagt. Nun würde sich zeigen, ob unsere winterlichen Mühen belohnt werden würden! Uns war klar, dass wir jederzeit mit einem Ausfall rechnen mussten, schließlich war das Gesamtpaket, insbesondere der Motor, noch lange nicht ausgetestet.
Aber es zeigte sich, dass unsere „Rennmöhre“ Potenzial hat. Natürlich fährt man anfänglich sehr vorsichtig und dreht den Motor nicht bis zum Schluss aus. Dennoch konnten wir unsere Rundenzeiten stetig verbessern. Im Vergleich mit den anderen Teilnehmern merkten wir, wie wir schnell besser wurden. Relativ schnell war klar, dass wir etwas später als alle anderen die Kurven anbremsen konnten, in der Kurve sehr gut unterwegs waren und dadurch auch die entscheidende Ausgangsgeschwindigkeit am Kurvenende immer weiter erhöhen konnten. In der Kurve schob der Wagen dabei sehr gutmütig über alle vier Räder nach außen – Mittelmotor rules!
Probleme gab es hingegen mit der Vergaseranlage. Nach drei Durchgängen auf der Strecke lief der Motor noch unrunder als sonst und nahm nicht mehr wie gewohnt Gas an. Aber wie so oft ist des einen Pech des anderen Glück: Der Inhaber unserer Motoren-Werkstatt war auch vor Ort und musste kurze Zeit vorher seinen Fiat-Abarth abstellen. Und bevor man tatenlos herumsteht, kann man doch eher mal schnell einen Doppelvergaser einstellen. Hinterher lief die Möhre nochmals deutlich besser!
Als Dank hatte sich unser Motorenspezi einen Turn mit der Rennmöhre verdient. Sein Urteil über den Wagen fiel für äußerst positiv aus und so konnten wir noch einige weitere Durchgänge fahren, bis wir uns mit der Möhre auf dem Trailer und einem „Padborg-Park T-Shirt“ als Erinnerung glücklich auf den Heimweg machten.
Nur eine Woche später war schon der nächste Event gebucht. Dieses Mal sollte es nach Papenburg auf die ATP-Teststrecke gehen, die i.d.R. von Mercedes-Benz genutzt wird. Vorher waren aber innerhalb der Woche noch kleinere Mängel und Defekte zu beseitigen, die sich in Padborg offenbart hatten. Das war jedoch an einem Abend erledigt und so konnten Joachim und Michael die Möhre schon am kommenden Freitag wieder auf den Trailer fahren.
Die Anfahrt in Richtung Süden gestaltete sich leider nicht ganz so reibungslos, es herrschte Verkehrschaos in und um Hamburg und vor dem Elbtunnel gab es einen riesigen Stau. Nur zwei Stunden später hatten wir die 4 km bis zum Tunnel dann passiert, nach sechs Stunden waren wir am Ziel… Papenburg entschädigte uns aber mit einem sehr schönen Hotel und einer klassische Altstadt, wo wir in einem guten griechischen Restaurant unser Leistungsgewicht deutlich verschlechterten – das hatten wir uns jetzt aber auch wirklich verdient!
Am nächsten Morgen erwartete uns ein buntes Teilnehmerfeld auf dem Vorplatz vom Testgelände. Nach dem üblichen Ritual (Fotografierverbot, Abgeben aller Foto-Utensilien und Aufnahme der Personalien) konnten wir auf das Gelände. Es folgte eine kurze Instruktion (Fahrerbesprechung) sowie eine sehr intensive technische Abnahme, bei der wir aufgrund eines zwar nagelneuen Kugelgelenkes, welches aber dennoch zu viel Spiel hatte, beinahe durchgefallen wären. Danach ging es in zwei Gruppen auf die Strecke.
Zu unserem Erschrecken hatte man uns in die schnelle Gruppe eingeteilt, da Michael im Anmeldebogen voller Optimismus „Rennstreckenerfahrung“ angekreuzt hatte. Nun fanden wir uns inmitten einer kriegsbemalten, weitaus PS-stärkeren Konkurrenz wieder, ein Wechsel war nicht mehr möglich. Aber besonders hier in Papenburg zeigte sich, dass fast alle Teilnehmer sehr fair und rücksichtsvoll miteinander umgehen. Natürlich gibt es durchaus mal den einen oder anderen Zweikampf, aber nie mit dem Messer zwischen den Zähnen. Schließlich wollen alle Teilnehmer ihre Schätzchen wieder unversehrt mit nach Hause nehmen.
Sehr gefreut hat uns, das an der Rennmöhre auch auf diesem Event keine ernst zu nehmenden technischen Probleme auftraten. Lediglich das zuvor kunstvoll gestaltete Gasgestänge löste sich am Vergaser, was aber in einer Rennpause repariert werden konnte (bisschen Kleber, bisschen Draht, Joachim wünscht Euch gute Fahrt). Schlimm ist jedoch das Gefühl für das „Team“, wenn des Teilnehmerfeld plötzlich aus einer Runde zurückkommt – und der eigene Wagen fehlt...
Langsam konnten wir uns mit der Möhre mehr und mehr an den Grenzbereich herantasten. Das macht insofern richtig Spaß, als dass in Papenburg großzügige Auslaufzonen existieren und somit das Material im Ernstfall geschont wird. Alles in allem waren wir sehr zufrieden und sind mit einem fetten Grinsen im Gesicht am Abend nach Hause "getrailert".
Im Jahr 2011 waren wir danach noch sehr häufig auf der Rennstrecke „Padborg-Park“ in Dänemark unterwegs. Hier finden fünfmal im Jahr Läufe zum „GLP-Nord“ statt, und an fast allen haben wir teilgenommen. Gegen Ende der Saison sind wir dort dann nicht nur bei den Test- und Einstellfahrten, sondern auch an den Gleichmäßigkeitsprüfungen selber mitgefahren. Das hat den großen Vorteil, dass dann weniger Fahrzeuge auf der Strecke sind und auch nicht so „wild“ gefahren wird. Auch beginnen die GLP-Läufe immer erst am späten Vormittag, so dass wir die Übernachtung am Vorabend sparen können. Bei den GLP-Durchgängen kann man wunderbar an unterschiedlichen Kurventechniken arbeiten und schauen, wo man als Pilot fahrtechnisch noch Verbesserungspotenzial hat. Denn: Da können wir alle drei noch sehr viel lernen!
Ein weiteres Highlight in der Saison 2011 war der „Carlchen Pokal“ auf dem Heidbergring. Diese Veranstaltung wurde von unserer Motorenfachwerkstatt Il-Motore geplant und durchgeführt. Der Heidbergring ist recht eng und eher für Motorräder oder Karts geeignet. Dadurch fühlt sich unsere untermotorisierte Rennmöhre dort auch sehr heimisch! Insgesamt war die Rennmöhre von April bis Oktober siebenmal „on track“. Berichte, Fotos und Videos über die einzelnen Veranstaltungen findet ihr auf www.ScuderiaX19.de, einfach im unteren Teil auf das Bild mit der „Rennmöhre“ klicken.
Erstaunt waren wir darüber, wie sehr der Rennstreckenbetrieb gegenüber dem Straßenbetrieb das Material belastet. Man sieht bereits nach den ersten Einsätzen an vielen Stellen, wie stark die Karosserie arbeitet. Wir haben uns angewöhnt, die Fehler und / oder Schwachstellen, die sich während der Veranstaltungen offenbaren, sofort aufzuschreiben. Nur so kann man sich alles merken. Diese „To-Do-Liste“ kann dann durchaus auch schon mal sehr umfangreich sein, muss aber zwingend bis zum nächsten Event abgearbeitet werden. Aber auch während der Veranstaltungen werden immer wieder Dinge nachjustiert oder verändert. Ein umfangreiches Werkzeug-Sortiment ist, neben vielen anderen Dingen, immer an Bord unseres „Renntransporters“, eines alten W124 Mercedes Kombi, der unsere Rennmöhre zuverlässig von einer Rennstrecke zur nächsten „trailert“.
Rückblickend auf die erste Saison haben wir mächtig Spaß gehabt, sowohl beim Aufbau der Rennmöhre als auch an den Renntagen selbst. Aber auch wenn wir in unseren Augen das richtige Auto für unseren Zweck gefunden haben, es sind viele Dinge noch alles andere als optimal. Insbesondere müssen Komponenten verstärkt und Sicherheitsfeatures nachgerüstet werden. Ein wenig mehr Dampf auf den Geraden wäre auch nicht schlecht... In diesem Sinne gehen wir mit Vorfreude auf die nächste Saison in den Winter 2011/2012
© by Michael Vaillant, Joachim Clausen, Höller Martens