Die Rennmöhre

Einstieg in den Amateur-Motorsport mit einem Fiat X1/9

Teil 2 - Restauration und ein netter TüV-Mann 

Was bisher geschah: Wir, drei Mitglieder des Hamburger Stammtisches Scuderia X1/9 hatten beim Bier beschlossen, einen Wagen für gelegentliche Rennstreckeneinsätze aufzubauen. Nachdem wir uns nach reiflicher Überlegung und entgegen der damit verbundenen Nachteile für den X1/9 entschieden hatten, war uns über einen alten Bekannten ein halb restaurierter 1300er angeboten worden. Der Winter 2010/2011 lag in seiner ganzen, dunklen Länge vor uns, die beiden ersten Track-Days Anfang April bereits in euphorisch-optimistischer Weise gebucht, die Ersatzteillager prall gefüllt und die private und berufliche Situation entspannt. Es konnte also losgehen. 

Nachdem wir den Wagen endlich in der Werkstatt hatten, konnten wir eine erste Bestandsaufnahme machen. Was war uns da wieder zugelaufen? Zunächst einmal ein Auto ohne Papiere, dass Ende der 80er das letzte Stück Straße unter den Rädern hatte. Nun ja - genau genommen war das letzte Stück Straße in den 80ern die Leitplanke einer Autobahn bei Hannover gewesen, welche die Karosse über die gesamte linke Seite stark deformiert hatte.  

Zum Glück hatte unser Bekannter den Wagen bereits kurz nach dem Unfall übernommen und danach die wesentlichsten Arbeiten durchgeführt. So war schon vor vielen Jahren die vordere linke Ecke bis über die vordere Schubstrebenaufhängung hinweg vollständig getauscht worden, und auch die Kampfspuren an der gesamten Fahrzeugseite wurden gerichtet, so dass die herausgezogenen Radläufe wieder voll zur Geltung kamen. Entfernte Stoßstangen und eine schicke, rot-schwarze Optik rundeten das sportliche Bild ab. Dass es sich beim Lack um eine Hinterhoflackierung handelte, störte für unseren Einsatzzweck nicht. Im Gegenteil, der Wagen sah gut aus! 

Technisch war ebenfalls viel Positives zu vermerken. Dieser Wagen muss in den 80ern ein bemerkenswertes Exemplar gewesen sein. Nicht mit den üblichen Plastikgeschwüren inklusive Pommestheke versehen, sondern ernsthaft verbreitert und aufgebaut. Entsprechend war einiges an interessantem Zubehör vorhanden. Ein 1300er Motor mit bearbeitetem Zylinderkopf, zwei 36er Weber DCNF-Vergaser sowie dem seltenen, passenden Blechluftfilterkasten und ein Satz CD30 mit historischer 205/60er Bereifung machten die Basis, eine Bielstein-Tieferlegung, eine elektronische Zündanlage, ein 32er Momo Montecarlo Sportlenkrad und auch eine CSC-Auspuffanlage waren im Laufe der langen Standzeit neu hinzugekommen.  

Der Vorbesitzer hatte zwei Jahre zuvor unseren Höller gebeten, den Wagen nach der langen Standzeit aus technischer Sicht TÜV-fertig zu machen. Die positive Folge war unter anderem die Erneuerung sämtlicher Verschleißteile, also Leitungen, Buchsen, Gelenke und natürlich Bremsen. Darüber hinaus waren alle Motor- und Fahrwerksteile gereinigt, entrostet und frisch lackiert worden. 

Was Höller allerdings damals bereits angemahnt hatte, war der Unterboden. Der Zustand hätte eigentlich erhebliche Schweißarbeiten notwendig gemacht, aus Kostengründen hatte sich der Besitzer aber vorerst dagegen entschieden. Und da der Höller nicht nur virtuos mit dem Schweißgerät umgehen kann, sondern auch mit Poppnietenzange und mit allerhand unterschiedlichen Chemikalien, erstrahlte der Unterboden bald stilsicher in blendendem Weiß.  

Nach Begutachtung einiger Fotos vom Zustand vor der kosmetischen Behandlung, lebhafter Beschreibungen durch Höller und ein paar gezielten Hammerschlägen kamen uns jedoch die großen Zweifel: Der Wagen würde so wahrscheinlich über den TÜV kommen, aber war er auch stabil genug für den Renneinsatz? Dazu kam, dass die Kühlwasserrohre undicht waren und sowieso ausgetauscht werden mussten. Und letztendlich hatte sich auch Höllers Farbwahl im Nachhinein als suboptimal herausgestellt, denn inzwischen sickerte der schwarze Unterbodenschutz durch die frische, weiße Schicht hindurch. Ergebnis war ein Farbmuster, das man wohl noch am ehesten mit „Inkontinenz in der Feinrippunterhose“ beschreiben könnte. Für den modebewußten Möchtegern-Rennfahrer definitiv eine Zumutung. 

Wie weit sollten wir mit der Sanierung des Unterbodens gehen? Oder besser gefragt: Wie restauriert man ein Auto, dass vielleicht schon bei seiner nächsten Ausfahrt als Totalschaden im Reifenstapel endet? Restauriert man es überhaupt? Oder malt man es nur an? Diese Fragen waren und sind bei allen Arbeiten an und allen Investitionen in die Rennmöhre allgegenwärtig, und ganz besonders jetzt. Aber: Die Stabilität der Karosse ist dass A und O. Eine unversteifte Karosserie, vor allem eine eines älteren Baujahres, kann in manchen Situationen durch ihre Verdrehung mehr federn als die Radaufhängung selbst! Viele Biere und Diskussionen später (u.a. über die Stabilität von Poppnieten!) war die Entscheidung dann getroffen: Wir werden zumindest den Werksstandard wieder herstellen und aus Stabilitätsgründen das Tal der Tränen komplett durchschreiten. Oder besser: Das Tal der Flickenteppiche und Unterbodenschichten... 

Joachim hatte erst vor einigen Wochen die Unterbodensanierung seines X beendet, Spachtel und Heißluftfön beiseite gelegt und laut fluchend geschworen, diese Arbeit bestimmt niemals wieder zu machen. Letztendlich konnten wir diese Routine dann aber dazu nutzen, den Unterboden schnell freizulegen. Danach waren diverse Schweißarbeiten am Fahrzeug durchzuführen. Der Unterboden sah durchaus unterschiedlich aus. Verschiedene Bereiche waren recht gut erhalten, andere durchaus professionell geschweißt, letztendlich mussten wir dennoch einen vollen Quadratmeter Blech verarbeiten. Mit besonderer Hingabe durften wir uns den Federbeindomen und den Bereichen um die Achsaufnahmen herum widmen. Insbesondere die Rekonstruktion der Bleche über der vorderen Achsaufnahme durch die Fußräume ist ein wahrer Quell der Freude. Hier trennt sich schweißtechnisch die Spreu vom Weizen. Dank Höller sorgen aber heute auch an diesen wichtigen Stellen Verstärkungsbleche für Stabilität.  

Bereits zu Beginn der Arbeiten wurde der fehlende Brief aufgeboten und Kontakt mit einem TÜV-Prüfer aufgenommen, dem wir unsere motorsportlichen Ambitionen erklärten. Dieses sollte sich im Nachhinein als eine gute Entscheidung entpuppen, wollten wir doch einerseits so viele der geplanten Umbaumaßnahmen wie möglich eingetragen bekommen und andererseits neben der Baurat-Abnahme eine H-Zulassung erwirken. Freundlich und offen mit der Thematik konfrontiert, zeigte sich der TÜV-Prüfer im Rahmen seiner Möglichkeiten, aber vor allem auch im Rahmen seines Sachverstandes durchaus kooperativ und wir konnten frei nach Tarantino verkünden: Der TÜV steht unserem Problem wohlwollend gegenüber.  

Irgendwann gegen Ende des Winters erstrahlten der Unterboden und die Radhäuser dann wieder in Wagenfarbe, neue Kupferrohre zierten den Mitteltunnel und wir konnten mit dem Aufbau beginnen, der zu einhundert Prozent wie mit dem TÜV-Prüfer abgesprochen erfolgte.  

Das bedeutete zunächst auch, dass wir Höller trösten mussten. Dieser bekam nämlich die Aufgabe, alle von ihm vor gar nicht allzu langer Zeit gekauften, nagelneuen Fahrwerksbuchsen höchstselbst wieder auszupressen, zu entsorgen und durch PU-Buchsen zu ersetzen. Auch die eigentlich neue vordere Bremse fand keine Gnade und musste einer modifizierten Bremse vom Uno Turbo weichen. Die neuen Tieferlegungsfedern durften vorerst bleiben, denn leider mussten wir den Einbau des Gewindefahrwerks noch zurückstellen. Ein Punkt, bei dem sich der Prüfer aufgrund der H-Abnahme nicht erweichen ließ. 

Eine besondere Herausforderung stellte sich kurz vor unserem TÜV-Termin dann noch durch die Umlenkung des Gaszuges für die Doppelvergaser. Durch jemanden offensichtlich in einem benebelten Moment formschön an der Karosserie befestigt, gab der Wagen bei jeder Motorbewegung selbständig Gas! Nun ja, zumindest diese Fehlerdiagnose dauerte nicht allzu lange. Etwas Sinnvolleres gebastelt, und siehe da - der Wagen bewegt sich ohne zu hüpfen! 

An einem schönen Frühlingstag ging es dann zu unserem TÜV-Prüfer, der sich - genau wie wir zuvor auch - an unsere Absprache hielt. Eine Schrecksekunde blieb uns dennoch nicht erspart, als ein zweiter TÜV-Prüfer sich dazu gesellte und mit versteinertem Gesicht besonders kritisch in alle Ecken und Winkel schaute. Aber wie sollte es anders sein, es handelte sich um einen ehemaligen X-Piloten, der uns anschließend ausdrücklich für unsere Arbeit lobte und betonte, „dass die Kisten, die ich vor 20 Jahren mit meinem Bruder wieder durch den TÜV gebraten habe, deutlich schlechter waren...“. Die Eintragungen und die H-Abnahme waren somit erledigt, der Fahrzeugschein hat seither mehrere Seiten. 

Leider waren wir damit noch lange nicht rennstreckentauglich. Neben vielen Kleinigkeiten sollte z. B. natürlich noch das Gewindefahrwerk eingebaut und danach alles komplett neu vermessen und eingestellt werden. Und wir waren ja auch noch nicht wirklich gefahren. Die Vergaser waren bisher auch nur provisorisch durch uns eingestellt worden. Lief die Kiste überhaupt zuverlässig? Oder fuhr Sie aufgrund des Unfallschadens nicht vor-, sondern seitwärts? Es kam erschwerend hinzu, dass sich kein einziger Gang geräuschlos einlegen ließ. Und allein schon damit kann man eigentlich nicht vernünftig fahren! Glücklicherweise befand sich in Michael’s Teilelager ein komplett überholtes 5-Gang-Getriebe, welches nun schnellstens in die Rennmöhre verpflanzt wurde. Damit war das Problem kurzfristig gelöst, wir wurden in unserer Entscheidung für den X1/9 als Rennstreckenfahrzeug damit eindrucksvoll bestätigt. Bei jedem anderen Basisfahrzeug wäre jetzt die Suche nach einem Getriebe bzw. Ersatzteilen losgegangen… 

Der Umbau auf das Gewindefahrwerk nahm einen weiteren Abend in Anspruch, die folgende Achsvermessung kostete Michael einen Tag kurzfristig genommenen Urlaub, die darauf folgende Grundeinstellung der Weber-Doppelvergaser in einer Fachwerkstatt ebenso. Eine wirklich ausführliche Probefahrt hatte die Möhre bis dahin noch gar nicht absolviert - so langsam lief uns die Zeit bis zum ersten Event weg. 

Erschwerend kam hinzu, dass es völlig überraschend seitens der Zulassungsstelle Probleme bei der Anmeldung des Fahrzeugs gab. Die Ursache war der ursprünglich verloren gegangene Kfz-Brief, jegliche Details würden den Umfang dieses Berichtes sprengen. Fakt ist, es waren wichtige Papiere auf dem Weg von einer zur anderen Zulassungsstelle verschwunden, das gesamte Verfahren musste noch einmal neu beantragt werden. Mit ganz viel gutem Zureden konnten wir das Fahrzeug aber auf Michael‘s vorhandene 07er Oldtimer-Nummer einschreiben. Endlich, endlich war der Weg für Probefahrten offen!   

Bei den ersten Testfahrten stellten wir dann ein sehr neutrales Fahrverhalten fest. Durch das Gewindefahrwerk liegt der X sehr gut in der Kurve, ist dabei nicht zu hart und lässt sich sehr gutmütig bewegen. Der Unterschied zur Serien-Bremsanlage ist deutlich spürbar. Natürlich fehlt ein wenig Leistung, wenn die Kurve zu Ende geht und die Gerade beginnt. Aber für den Anfang konnten wir mehr als zufrieden sein! Dennoch decken solche Fahrten ja noch jede Menge Schwachstellen und Mängel auf – dafür sind Probefahrten schließlich auch da! 

Bisher hatten wir den ganzen Winter jede Woche zu Dritt mindestens einen, meist mehrere Abende unter, über und mit dem Auto verbracht. Nun war nur noch eine Woche bis zu unserem ersten Track-Day am 02. April übrig und es waren noch immer diverse Restarbeiten zu erledigen... 

Das nächste Mal: Einzelheiten zum Tuning und erster Einsatz in Padborg / DK

Fortsetzung zu Teil 3 

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© by Michael Vaillant, Joachim Clausen, Höller Martens